Unser VW T3 ist kein Synchro, das heißt er hat keinen Vierradantrieb oder 4-Wheel-Drive (4WD). Somit ist er nicht unbedingt geeignet für alles, was Offroad-Fahrern Spaß macht: Flüsse, Matsch, Sand, Eis oder sonstige Untergründe, die einem Fahrzeug mit Zweiradantrieb Probleme bereiten könnten.
Von Zeit zu Zeit muss ich meinen Freund daran erinnern, dass unser 33 Jahre altes Gefährt leider nicht für diese Art von Abenteuer gemacht ist. Doch sein Vertrauen in unseren Bus ist unerschütterlich (fast so sehr wie seine Liebe zu Mehlspeisen) und tatsächlich schaffen wir es jedes Mal irgendwie schwungvoll durch den nächsten Fluss. Ich füge hinzu: reißenden Fluss.
Pannen gehören zu jeder Reise, keine Frage. Insbesondere wenn man mit einem eigenen Wagen unterwegs ist scheint die Pannenrate einer Reise überproportional in die Höhe zu schnellen. Das kann ich nach 6 Monaten mit dem eigenen Van in Südamerika bestätigen und zu meiner Beruhigung können das auch alle anderen Overlander, die wir auf unserem Weg bisher getroffen haben.
Juni, Du hast Dich übertroffen!
Der letzte Monat jedoch, mein lieber Monat Juni, hat alle vorangehenden Monate in seiner Unfallrate übertroffen und allein deswegen möchte ich ihm heute meine besondere Aufmerksamkeit widmen.
Es handelt sich um Pannen unverschuldeter Natur (ich spähe zu unserem 3. Motorschaden) oder eben ziemlich selbstverschuldeter Vorfälle, wie es sich in den nächsten Zeilen herausstellen wird.
Zur Verteidigung meines Freundes: Ein 4WD hätte uns vermutlich nur in 1,5 der 4 Situationen weiterhelfen können, deswegen darf er ruhig weiter seine Flussdurchquerungen aka Unterbodenwäschen unternehmen.
Warum Juni ein Arsch ist erfährst Du jetzt:
Paso de Jama – Verbrennungen auf 4000 Metern
Es war alles so abenteuerlich, so romantisch – eine Nacht auf 4000 Metern Höhe, mitten im Nirgendwo auf dem Paso de Jama zwischen Argentinien und Chile. Wir wollten unsere Grenzen austesten bevor es über die Lagunenroute nach Bolivien gehen sollte, wo es nachts angeblich unter -15 Grad werden sollte.
In dieser Nacht war es vermutlich sehr viel kälter als -15 Grad. Der 10 Liter Kanister Wasser war zu Eis erstarrt und umso erstaunter waren wir, dass unser Bulli auf Anhieb ansprung.
Wir gaben ihm etwas Vorlaufzeit bevor wir uns auf den Weg zur chilenischen Grenze machten. Doch nach nur ein paar hundert Metern on the road fing die Temperaturanzeige an sich langsam aber sicher nach oben zu bewegen. Irgendwas war faul.
WUSCH oder: die Kühlwasser-Explosion
Wir hielten an und mein Freund lief nach hinten zum Motor, um der Sache auf den Grund zu gehen. Plötzlich machte es WUSCH und ich sah ich nur noch Dampf aus dem hinteren Teil des Autos aufsteigen. Ich hechtete zu meinem Freund, der von oben bis unten mit Kühlwasser durchtränkt war.
Er hatte das falsche Kühlwassergefäß geöffnet. Anscheinend war das Kühlwasser in einer der Leitungen eingefroren, so dass das Wasser nicht mehr ordentlich zirkulieren konnte und sich so ein Druck aufgebaut hatte – der sich nun komplett im ganzen Kofferraum und über meinen Freund entladen hat.
Ich griff den 10 Liter Eis Kanister und schüttete das bisschen Wasser, was mittlerweile aufgetaut war über ihn. Mit Kühlwasser ist nicht zu Spaßen und so tauchten schon nach kurzer Zeit die ersten Verbrennungserscheinungen auf. Wir versuchten alles so gründlich es ging zu reinigen und die Ruhe zu bewahren.
Let the games begin
Doch nun fing der Spaß erst richtig an. Wie sollten wir mit einem enormen Kühlwasserverlust und Luft in der Leitung zur chilenischen Grenze, geschweige denn nach San Pedro kommen?
Mein Vorschlag sich bis zur Grenze abschleppen zu lassen machte keinen Sinn, da lediglich 3 Autos in der Stunde vorbeikamen und die Wahrscheinlichkeit, dass uns eines davon 80 km bis zur Grenze (über weitere Serpentinen) abschleppen würde war ziemlich gering. Zudem war es fraglich, ob wir abgeschleppt über die Grenze kommen würden.
Also hieß es: sich selbst helfen, versuchen das Auto zu entlüften und Kühlwasser nachfüllen.
Höhentraining: 2 Tonnen auf 4000 m schieben
In unserem schlauen VW Buch „Jetzt helfe ich mir selbst“ (der Klassiker) stand, dass wir die Schnauze 40 cm aufbocken sollten, um das System zu entlüften. In Ermangelung eines Hebegeräts schoben wir den Bus ein paar hundert Meter weiter bis eine leichte Schräge kam. Zu leicht leider, weswegen dieser erste Versuch der Entlüftung fehlschlug.
Anschließend schoben wir den Van mit dem Hinterteil halb in einen Graben, ohne zu wissen wie wir da jemals wieder rauskommen sollten (mit 4WD wäre das vielleicht möglich gewesen). Tatsächlich schafften wir es so die Leitungen zu entlüften und das Kühlwasser nachzufüllen. Da wir es mit eigener Kraft nicht aus dem Graben schafften, mussten wir einige Zeit auf das nächste Auto warten, das vorbeikam und zum Glück auch anhielt.
Mit einem Ruck wurden wir aus dem Schlamassel gezogen und schafften es tatsächlich auf eigene Faust mit stabiler Temperaturanzeige und ohne weitere Vorkommnisse nach San Pedro de Atacama.
Und dann? Mein Freund lief eine Woche mit einem wuchtigen Verband am Kopf rum, um die Verbrennungen heilen zu lassen.
Wir kauften überteuertes neues Kühlwasser in Calama und verwundernswerterweise gibt es im hohen Norden Chiles so gut wie kein Kühlwasser für Temperaturen unter -3 Grad. Da die Mechaniker in San Pedro ebenfalls verwundernswerterweise keinen Plan von Kühlwasserwechseln haben, hat mein Freund es auf eigene Faust gemacht (mit ein klein bisschen Hilfe von mir). Ich bin schon ein bisschen stolz auf ihn!
Schuldfaktor: selbst dran Schuld (mit ein bisschen Schuld an denjenigen, der unser Kühlwasser so brutal verdünnt hat, weswegen es in den Leitungen gefroren und im Tank so krass verdampft ist)
Fazit: Öffne niemals den Kühlwassertank, nachdem der Motor heiß gelaufen ist!
Tatio Geysire – Mit einem Rad am Abgrund
Die Tatio Geysire nördlich von San Pedro de Atacama in Chile sind ziemlich cool. Vor allem, wenn die Touristenbusse weg sind und man das Naturschauspiel für sich ganz alleine hat.
Etwas uncooler ist der Hügel kurz hinter dem Eingang zu den Geysiren, der ist nämlich ziemlich steil. Wir wollten uns schon wieder auf nach San Pedro machen, da kam uns eben dieser Hügel in die Quere.
Unser Bus schaffte es halb hoch, doch kam dann nicht weiter, weswegen wir zurückrollen mussten, um neuen Schwung zu holen. Dämlicherweise hatten wir übersehen, dass sich rechts der Fahrbahn plötzlich ein Abgrund auftat und so fuhren wir mit Schmackes hinein – halb zumindest.
In der Angst uns mit jeder Bewegung weiter in die Bredouille bringen zu können, kraxelte ich vorsichtig aus dem Wagen und beäugte zitternd die Ausmaße des Ganzen. Unser rechtes Hinterrad hing über einer 4 m tiefen Schlucht – keine Chance da glimpflich rauszukommen, wenn wir weiter absacken sollten. In eine ganz schön große Scheiße waren wir da geraten.
Meister im Abschleppen
Umso weniger konnte ich unser Glück fassen, dass tatsächlich in der Sekunde, in der ich wie festgefroren die Überlebenschancen unseres Vans überschlug, ein 4WD des Weges kam (wohl das einzige Auto im Umkreis von 100 km).
Mit zittrigen Händen öffnete ich den Kofferraum unseres Wagens und friemelte vorsichtig das Abschleppseil heraus. Eine Seite an den 4WD, die andere an unsere Schnauze und nun hieß es langsam, ganz langsam… Schwupp! Mit einem großen Ruck holte uns der chilenische Truck aus der brisanten Lage heraus. 100 Bedankungen später verließ uns unser Retter in der Not und wir bewältigten im zweiten Anlauf den fiesen Hügel.
Und dann? Sind wir mit einem ordentlichen Schrecken statt in heißen Quellen zu Baden direkt zurück nach San Pedro gefahren und mussten erstmal chillen.
Schuldfaktor: selbst dran Schuld, aber sowas von
Fazit: Habe immer den Weg fest im Blick, vor allem durch den Rückspiegel!
Auf dem Weg nach Uyuni – Die Hände sind die besten Schaufeln
Wir haben die Lagunenroute mit Bravour gemeistert und waren endlich in Bolivien. Doch dann war da dieser Fluss. Er war nicht wie die anderen Flüsse, die noch ein bisschen vor sich hin plätscherten, sondern er war ganz ruhig. Und stille Wasser sind bekanntlich tief.
Also drehten wir um und suchten eine andere Route. Die andere Route führte dummerweise durch Sand und einmal zu wenig Schwung geholt, schon steckten wir drin, mitten in der Sch… Wüste.
Welcome to Bolivia
Ich lief zur nächsten Straße, oder dem, was am meisten einer Straße ähnelte und hielt einen Truck auf. Auf die Frage, ob er uns rausziehen oder anderweitig helfen könnte, antwortete er, dass in einer Stunde wiederkommen würde und 25 Dollar haben wollte. Ich war erst einmal baff, da weder in Argentinien noch in Chile jemals jemand Geld für die geleistete Hilfe verlangt hatte (und wir hatten sehr viel Hilfe in Anspruch nehmen müssen…). Deswegen schlug ich das Angebot dankend ab. Das müssten wir auch selbst hinbekommen.
Wer seinen Bus liebt, der schaufelt
Auf dem Rückweg zum Bus schnappte ich mir zwei große Steine, die ich hinter die Hinterräder des Wagens klemmte und fing gemeinsam mit meinem Freund an zu graben. Weg mit dem Sand – vor den Vorderrädern und vor den Hinterrädern. Wagen an, Vollgas, ein Meter weiter, Wagen aus, weiterschaufeln. Und noch einmal: Wagen an, Vollgas, zwei Meter weiter, Wagen aus, weiterschaufeln.
Eine Sisyphos Arbeit, die wir 12x wiederholten bis wir es endlich aus der verzwickten Lage geschafft hatten und auf sicherem Terrain waren.
Aber hej, wir haben es mit eigener Kraft geschafft! Nun konnte uns nichts mehr stoppen (dachten wir…) !
Und dann? Hatten wir sehr viel Sand in den Schuhen und fuhren im Abendgrauen über eine ziemlich hervorragende Erdstraße nach Uyuni.
Schuldfaktor: selbst dran Schuld
Fazit: Wir sind kein Synchro.
Potosi – Absaufen im Feierabendverkehr
Die Straße von Uyuni nach Potosi in durchgängig asphaltiert und eine der schönsten Strecken, die ich auf der Reise bisher gesehen habe. Doch eine Sache trübte den Anblick: Unser Bus wollte nicht so richtig. Er kroch die Berge hinauf, von denen es leider so einige gab, und rauchte übelst.
Wir waren heilfroh als wir Potosi nach einer 4 stündigen Fahrt auf den Zahnfleisch endlich erreichten, doch hier sollte das Chaos erst beginnen. Wir hatten natürlich keine Ahnung, dass in Potosi San Francisco ähnliche Straßenverhältnisse herrschten und die Stadt eine komplette Hügellandschaft war.
In Potosi hält sich eh niemand an Verkehrsregeln…
Wir nahmen Vorfahrten und fuhren über rote Ampeln (natürlich vorsichtig), nur um bloß nicht am Berg anhalten zu müssen. Denn das würde das Aus bedeuten. Doch genau am letzten Berg vor dem Campingplatz musste es dann soweit kommen: Stau am Berg, wir mussten anhalten.
Und dann war es vorbei. Es bestand keine Chance vorwärts zu fahren, unser Motor hatte einfach keine Power mehr. Hinter uns stauten sich die Autos und es begann ein ohrenbetäubendes Hupkonzert. Ich hüpfte raus und versuchte irgendwie zu erklären, dass wir nicht mehr vorwärts konnten. Als die Autos hinter uns es endlich verstanden hatten, begannen sie glücklicherweise uns zu überholen.
Als die Luft nach hinten frei war, ließ sich mein Freund langsam den Berg runterrollen. Mit großen Schmerzen ließen wir den Motor ein letztes Mal aufheulen und nahmen eine andere, etwas weniger steile (soweit das in Potosi überhaupt möglich ist) Straße (natürlich inklusive einer weiteren roten Ampel…). Mit Ach und Krach und einem blaurauchenden Motor schafften wir es auf den Campingplatz.
Und dann? Verbrachten wir erst einmal 4 Tage in Potosi in der Schockstarre und überlegten wie wir weiter vorgehen sollten. Da es in Potosi keinen Mechaniker gab, der Plan hatte, ließen wir unser Auto schließlich von Potosi nach Sucre abschleppen. Ein ziemlich teures Unterfangen, was 12 Stunden gedauert hat, da der Abschleppwagen ebenfalls einen Motorschaden hatte… (das wäre nun Panne Nummer 5, aber hier sind wir schon im Juli.)
Schuldfaktor: hier ist jetzt die Frage, ob wir die Schuld unserem letzten Mechaniker in die Schuhe schieben, oder uns selbst, dass wir es in Potosi einfach drauf angelegt haben. Alles in allem: einfach dämlich.
Fazit: Unterschätze niemals das Höhenprofil bolivianischer Städte!
Juni…
Du hast mir und uns unheimlich zu schaffen gemacht. Sei doch das nächste Mal etwas netter!
So viel von meinen Pannen. Aber nun zu Dir!
Was war Deine pannenfreudigste Reise und welche Panne hat Dich richtig zum Verzweifeln gebracht?
Rein damit in die Kommentare! Geteiltes Leid ist halbes Leid und außerdem kann man rückblickend (endlich!) darüber lachen, egal wie schlimm es in dem Moment war!
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